Am 19. August – einem der vielen sommerlich-heißen Sonntage dieses Jahres – führte der alljährliche Sommerausflug die Mitglieder und MitstreiterInnen des Soldiner Kiezvereins in die Wahlheimat des berühmten Schuhmachers (und Hochstaplers) Friedrich Wilhelm Voigt (1849 – 1922): nach Berlin-Köpenick. Unser erster Eindruck, nach einer langen, Nerven zehrenden Odyssee mit Berliner Verkehrsmitteln: „Ordentlich was los hier in Köpenick.“ Denn ein Weinfest lockte an diesem Wochenende mit seinen Ständen und kulturellem Programm zahlreiche Gäste von auswärts. Wir aus dem Soldiner Kiez allerdings – mehr der Kultur als dem Wein gewogen – waren heute dem Angebot des Vorstandsmitglieds Diana Schaal gefolgt, uns im Rahmen einer historischen Führung mit den Denk- und Sehenswürdigkeiten der Köpenicker Altstadt bekannt zu machen.
Unsere kleine Exkursion startete am Zusammenfluss von Spree, Dahme und Müggelspree mit genau dem, wovon die Geschichte Köpenicks über die Jahrhunderte hinweg geprägt wurde: Wasser.
Die eigenständige Stadt Cöpenick gehört erst seit dem Inkrafttreten des Groß-Berlin-Gesetzes am 20. Oktober 1920 zu Berlin, und das traditionelle Stadtwappen nimmt Bezug auf die über die Jahrhunderte hinweg wesentliche Erwerbsgrundlage des Ortes: zwei Fische auf blauem Grund; in der Mitte ein goldener Schlüssel, der auf den heiligen Petrus, den Patron der Fischer, verweist; dazu sieben Sterne, die Plejaden, die ebenfalls Bezug zum Fischfang haben. Ende des 19. Jahrhunderts verhalf dann das Wasser noch einem weiteren Wirtschaftszweig zur Blüte. 1873 errichteten die Brüder Karl und Wilhelm Spindler auf einem 200 Morgen großen Gelände, dem heutigen Spindlersfeld, die erste chemische Großwäscherei Deutschlands. Zahlreiche private Wäschereien werden ebenfalls gegründet. Köpenick wird zur „Waschküche Berlins“.
Im Rahmen der Stadtführung erläuterte uns Diana außerdem zwei Straßennamen, die so ungewöhnlich sind, dass sie im Gedächtnis bleiben: „Freiheit“ und „Kietz“. Für die Entwicklung Köpenicks im 17. und 18. Jahrhundert spielte das Edikt von Potsdam (29. Oktober 1685) eine große Rolle, mit welchem der Kurfürst der Mark Brandenburg den in Frankreich verfolgten Hugenotten eine neue Heimat an der Spree anbot. Auf diese Weise kamen zahlreiche Seidenweber und Tuchmacher, aber auch Bierbrauer, Advokaten, Mediziner und Arbeiter in die Stadt und nannten die Straße, in der sie sich ansiedelten, „Freiheit“. Interessanterweise errichtete man auch das Gefängnis in dieser Straße, und wen wundert’s: Denn an welchem Ort ist die Sehnsucht nach Freiheit größer als in einem Gefängnis? Der zweite Straßenname, „Kietz“, ist die Bezeichnung für im Mittelalter entstandene und zunächst meist slawisch bevölkerte Dienstsiedlungen im Umkreis von Burgen. Die Bewohner des Köpenicker Fischer-Kietzes, den wir zum Abschluss besuchten, hatten den Burgherrn mit Fischen zu versorgen. Entlang dieser Straße hat sich ein geschlossenes Ensemble von teils eingeschossigen Bauten erhalten, die noch aus dem 18. oder 19. Jahrhundert stammen.
Eine weitere Station unserer Besichtigungstour war das Ende
des 16. Jahrhunderts auf dem Gelände einer einstigen Askanierburg erbaute Schloss mit seinem Schlosspark, das ursprünglich im Renaissancestil erbaut, dann aber in einen Barockbau verwandelt wurde. Schließlich die Statue des Schuhmachers (und Hochstaplers) Friedrich Wilhelm Voigt, der als „Hauptmann von Köpenick“ Weltruhm erlangte: Am 16. Oktober 1906 drang er mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten in das Köpenicker Rathaus ein, verhaftete den Bürgermeister und raubte die Stadtkasse. Amtsanmaßung, Übertölpelung der Obrigkeit, Selbstbereicherung auf Kosten der Reichen und Privilegierten – das hat einen gewissen Charme, und so haben wir uns alle zum Gruppenfoto vor der Statue des berühmten Hauptmanns zusammengefunden.
Bei all der Kultur, all der Bildung sind gleichwohl Genuss und Vergnügen nicht zu kurz gekommen. Mittags haben wir in einem adretten Gartenlokal mit Wasserblick gespeist, und dem Wasser, das über so viele Jahre die Erwerbsgrundlage Köpenicks gewesen ist, haben wir zum Abschluss unserer Tour noch einmal ausgiebig Reverenz erwiesen: durch den Besuch eines Strandbads im Fischer-Kietz.
Kurzum: ein erbaulicher, äußerst angenehm verbrachter gemeinsamer Augustsonntag. Nicht zuletzt: Ein großes Dankeschön an Diana für die tolle Stadtführung !!!
Stefan Höppe