Impressionen von der Lesung „Poesie aus Japan“

V.l.n.r.: Vorleser/innen Thomas Kilian & Waltraud Köhler, Lyrikerin Minako Matsuishi. Foto: Hawa Vogrig

Zum Programm der Schönen Kiezmomente gehören Veranstaltungen zum Land der aufgehenden Sonne. Und jedes Frühjahr bietet das bewährte Kiez-Kulturprogramm eine Autor/innen-Lesung, wo das Werk eines Autors bzw. einer Autorin vorgestellt wird.

Meistens weilen diese nicht mehr unter uns  – so auch die japanischen Altmeister aus dem 16. bis 19.  Jahrhundert, deren Dreizeiler im zweiten Teil der Lesung „Poesie aus Japan“ am Samstag,
7.  April 2018, 19:00 im Saal der NachbarschaftsEtage Fabrik Osloer Straße vorgetragen wurden.

Für diese Lesung hat Veranstalterin Diana Schaal auch eine moderne Lyrikerin aus Japan gewinnen können. „Eigentlich wollte ich in der nächsten Japan-Lesung das Kopfkissenbuch der Hofdame Sei Shonagon vorstellen“, sagt sie. „Aber da die Hofdame schon knapp 1.000 Jahre tot ist, wird sie nicht beleidigt sein, wenn ich die Lesung mit ihrem Werk verschiebe. Als ich die Gedichte von Minako Matsuishi vorletztes Jahr bei einer Lesung in Schöneberg hörte, wusste ich, dass sie die richtige Kandidatin für die nächste Japan-Lesung ist.“

Minako Matsuishi, geboren in Fukuoka auf der japanischen Insel Kyushu, ist seit 2008 in Berlin als freischaffende Künstlerin tätig, mit den Schwerpunkten Dichtung und Malerei. Sie hat sich schon an vielen Kulturveranstaltungen in Berlin beteiligt. So tritt Minako Matsuishi regelmäßig zusammen mit der japanischen Pianistin Eri Mantani beim sommerlichen Kulturfestival „48 Stunden Neukölln“ auf.

Und die Poetin hat zu dieser Lesung mit über 50 Besucher/innen auch jede Menge Fans angezogen. Mindestens 10 davon waren Japaner/innen. So viele Besucher/innen haben die Schönen Kiezmomente bisher noch nie bei einer Lesung erlebt!

Minako Matsuishi trug jedes ihrer Gedichte auf Japanisch vor, woraufhin Waltraud Köhler ausdrucksvoll die deutsche Übersetzung vorlas. Zu jedem Gedicht wurde ein passendes Lichtbild gezeigt.

Minako Matsuishi. Foto: Hawa Vogrig

Minako Matsuishi nutzt Bilder aus der Natur, um persönliche Befindlichkeiten auszudrücken. Darin ähneln ihre Gedichte den klassischen japanischen Dreizeilern.

Doch die Lyrikerin geht über deren festgelegte Form hinaus und äußert sich mit der individuellen Freiheit des 21. Jahrhunderts. Auch Alltägliches kommt in ihrem Werk vor: Die Geborgenheit, die ein warmes Getränk spendet, städtischer Autoverkehr bis hin zum Ablaufen der Zeit, „die die Uhr tickend frisst“.

Ein schönes Beispiel ihrer Lyrik ist das folgende Gedicht:

Fischfarbenes Becken 

Ich schwimm‘ wohin ich will
überall hin
frei bin ich
Ist ja keiner da
Im Aquarium.“

Minako Matsuishis Gedichte konnten in der Pause auch in Buchform käuflich erworben werden.

Im zweiten Teil der Lesung gab Diana Schaal mit einer kurzen Einführung Antwort auf die Frage, was denn ein Haiku ist. Eine Kreuzung zwischen einem Hai und einer Kuh?
Nicht ganz – aber fast!

Ein Haiku ist ein japanischer Dreizeiler, ohne Reim und die kürzeste Gedichtform der Welt.

Als Beispiel zitierten Minako Matsuishi auf Japanisch und die Vorleser/innen Waltraud Köhler und Thomas Kilian in einer wörtlichen und einer freien Übersetzung das berühmte Frosch-Haiku von Matsuo Bashō (1644 – 1694):
Uralter Teich. Ein Frosch springt hinein. Flatsch!“
Illustriert wurde dieses durch ein Mini-Video.

Danach las Thomas Kilian je drei Haiku zu jeder Jahreszeit vor, darunter auch Werke von Matsuo Bashō und Kobayashi Issa (1763 – 1827), dessen Haiku besonders lustig sind.

Die Haiku wurden durch Lichtbilder von japanischen Tuschezeichnungen ergänzt.
So wie das Haiku von dem lebt, was es andeutet, lebt das Tuschebild durch das, was nicht ausgemalt, sondern ausgespart wird. Thomas Kilian schloss mit Issas Haiku zum Neujahr, einem der höchsten japanischen Feiertage:
Als Kronjuwelen. Zum Jahresanfang wieder – Die alten Läuse!“

Begleitet wurde die Lesung durch ausgewählte Stücke japanischer Ambient-Musik.

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