120 Jahre Stephanuskirche – die Ausstellung

Die mit dem Soldiner Kiez e.V. eng verbundene Initiative Denkmal Stephanuskirche zeigt vom 27. September 2024 bis zum 12. Oktober 2024 die Ausstellung
zum 120. Bestehen der Stephanuskirche.

Die Schau wich in das Prima Center Berlin, Biesentaler Str. 24, 13359 Berlin bei uns hier im Soldiner Kiez aus, einem Projektraum der Kolonie Wedding.
Die Kirchengemeinde an der Panke, zu deren Zuständigkeit die Stephanuskirche gehört, stellte ihre Räumlichkeiten nicht zur Verfügung.

Ein stolzes Stück Berlin: Initiative Denkmal Stephanuskirche

Zur Ausstellung gibt es ein Begleit-programm mit einer Handvoll Vorträgen, einer feierlichen Eröffnung und einer Finissage. Details und die genauen Öffnungszeiten finden sich am Ende des Artikels.

Zunächst einiges, was die Stephanus-kirche interessant macht.

Die Kirche verrät manches über ihre Entstehungszeit. Diese Vergangenheit zwischen religiösen Liberalismus einerseits, einem gewissen Autoritarismus andererseits und einer gewissen deutschtümelnden Auseinandersetzung mit dem östlichen Mittelmeerraum und seinem kulturellen Erbe ist vielleicht lebendiger als gedacht.

Die Verbindung zwischen Abendland und Mittelmeer kommt nicht zuletzt in den floralen Ornamenten zum Tragen. Ihre Reichhaltigkeit greift die Ausstellung umfänglich auf und stellt ihre religiöse sowie kulturelle Bedeutung dar. Humorvoll werden Bezüge zum Alltag hergestellt.

Wir sehen aber auch einen „Hauch von Schilda“ bei der Kirchengemeinde an der Panke. Diese Kritik erschien der Initiative unerlässlich im Zusammenhang mit der anstehenden Renovierung der Kirche. Insgesamt vermutet natürlich angesichts der Bauschäden und Verzögerungen niemand bösen Willen, sondern zunächst Überforderung. Andererseits hat die Kirchengemeinde an der Panke die Nachbarschaft fortlaufend schlecht informiert. Die Öffnung zur Nachbarschaft hat sich die Kirchengemeinde zwar immer wieder vorgenommen, aber bei Schwierigkeiten schnell wieder aufgesteckt und sich mit sich selbst begnügt.

Das sogenannte Bildprogramm der Stephanuskirche mit ihren frommen Männern als Statuen oder auf den Bildern im Chor ist für die Initiative keine wahllose Ansammlung, sondern zieht eine Linie von Jesus und seinen Jüngern bis zu Friedrich Schleiermacher. Der prominente Theologe um das Jahr 1800 und später wird gelegentlich als Kirchenvater des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Er war bei der Vereinigung von Lutheraner:innen und Reformierten in Preußen im Jahr 1817 beteiligt. Die Bildwerke sollen eine Geistesgeschichte aus Bibeltreue und -lektüre, Sozialarbeit sowie fürstlicher Herrschaft in den Dienst einer wieder zu erweckenden Frömmigkeit im Sinne der Hohenzollern nehmen.

Friedrich Schleiermacher steht zum Ruhm der Hohenzollern etwas quer. Er sah mehr nach vorn und reagierte statt mit Feindschaft auf feindliche Konfessionen auch auf den um sich greifenden Atheismus argumentativ. Außerdem wollte er die Macht der Hohenzollern durch eine Verfassung beschränkt sehen, was ihm die Bespitzelung durch den Geheimdienst seiner Majestät einbrachte. Solch einen Querschuss hat es in den Gründerzeitkirchen Berlins nur dreimal gegeben. In den anderen Kirchen sind die Darstellungen von Schleiermacher jedoch zerstört.

Friedrich Schleiermacher in der Stephanuskirche: Redete auch mit Atheisten, praktizierte die Ökomene und war dem König ein Dorn im Auge, weil er eine Verfassung wollte. Foto: Kerstin Kaie

Wir verdanken die drei Meter mächtige Schleiermacher-Statue in der Stephanuskirche der Liberalität der Kirchengemeinde St. Paul um 1900. Als Gründerkirche nahm sie Einfluss auf das Bauwerk. So steht Schleiermacher mit fünf weiteren Glaubensheroen unter je einem mittelalterlichen Baldachin als Nachfolger von Martin Luther, Jan Hus und dem Missionar der Germanen, Bonifatius, sowie Petrus und Paulus.

Dieses Sextett thront über den Köpfen der Besucher:innen auf der Empore auf Schmucksäulen. Hier oben ist es licht, während unten die Beleuchtung gedämpft wirkt. Statt das Gebäude zu tragen, sind die Säulen nur vorgeblendet. Im Gegensatz zur echten Gotik aus dem Mittelalter arbeitet die Neogotik der Stephanuskirche oftmals mit einem gewissen architektonischen Bluff.
Das mag seine Bezüge zum Zeitgeist um 1900 haben.

Trotz moderner Züge zeigt der Beitrag der Kirchenältesten von St. Paul zum Bildprogramm einen gewissen Autoritarismus. Schließlich gab schon damals kaum einen Grund, Ignatius von Antiochien (um 100) herauszuheben. Denn der Bischof aus Kleinasien war fast nur noch dafür bekannt, dass er den Gehorsam der Gläubigen gegenüber dem Klerus forderte.

Der Eintritt ist frei, nicht nur für die Ausstellung, sondern auch für die Lichtbild-Vorträge und die Festivitäten.

Prima Center Berlin, Biesentaler Str. 24, 13359 Berlin (Stadtplanausschnitt)

Öffnungszeiten vom 27.9. bis zum 12.10.2024:

Mo. – Do.: 17.00 – 21.00 Uhr
Fr./Sa.: 19.00 – 23.00 Uhr
So./Feiertag: 15.00 – 19.00 Uhr
und nach Vereinbarung

Feierliche Eröffnung mit Live-Musik & Überraschungsgast!
Fr., 27.9.2024, 19.00 Uhr

Finissage: Interkulturelle Disco: Sa., 12.10.2024, 19.00 Uhr

Lichtbild-Vorträge – jeweils 19:00 Uhr im Prima Center Berlin:

120 Jahre Stephanuskirche. Historische Ansichten
Sa., 28.9.2024 und So., 6.10.2024, mit Ralf Schmiedecke

Aufsässige Armut. Heilswege im Mittelalter
Mi., 2.10.2024, mit Thomas Kilian

Die Kirchenjuste. Die Kaiserin und das Kirchenbauprogramm
Sa., 5.10.2024, mit Diana Schaal

Bonifatius und die Christianisierung der Germanen
Fr., 11.10.2024, mit Diana Schaal

Während der Vorträge ist leider keine Besichtigung möglich.

Nähere Informationen zu den Lichtbild-Vorträgen finden sich in unsererm Veranstaltungskalender.

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