Am 10. September 2019 starb unsere ehemalige Mitstreiterin Dorothee Neserke-de la Haye. Sie wurde in aller Stille auf dem Elisabeth-II-Friedhof im Soldiner Kiez beigesetzt. Wir haben erst später davon erfahren. Nach Marseille, Frankfurt/Main und Brüssel war die gebürtige Hermsdorferin nach Berlin zurückgekehrt und lebte dann lange im Soldiner Kiez, zuletzt im Seniorendomizil an der Panke.
Uns war Dorothee als Lyrikerin und als kritische Begleiterin unserer Kulturarbeit im FORUM Soldiner Kiez gut bekannt. Dabei war sie ebenso einfühlsam und hilfsbereit wie streitbar. Sie engagierte sich außerdem im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) und in der Neuen Gesellschaft für Literatur (NGL). Unter anderem richtete sie im Rahmen der Berliner Festspiele im Literarischen Colloquium Berlin mehrere Lesungen aus.
Dorothee wurde 1944 geboren. Ihr Vater starb früh, die Bildungsmöglichkeiten waren für die Tochter einer alleinerziehenden Arbeiterin beschränkt. Nach einer Scheidung zog sie ihren Sohn Alban ebenfalls alleine groß. In ihren Vierzigern brach eine manisch-depressive Erkrankung aus. Ihr Lebensende war aufgrund einer Demenz davon gekennzeichnet, dass ihr die Sprache entglitt. Sie konnte sich immer weniger verständlich machen. Erst stellte sie das Schreiben ein und schließlich nach und nach das Sprechen.
In diesem schwierigen Leben behielt Dorothee ihren Eigensinn, ihre Würde und ihr Interesse an ihren Mitmenschen. Wir konnten ihren Ansprüchen nicht immer genügen, aber wir vermissen sie.