Rike Lange vom WeddingWeiser las aus dem Roman Selam Berlin von Yade Kara. Hasan, ein 19-jähriger Türke kommt motiviert durch die TV-Berichte über den 9.11.1989 aus Istanbul nach Berlin, er kommt zum Film, findet am Nollendorfplatz eine WG mit drei jungen Frauen aus der Provinz, ebenfalls vom Film und mit den Allüren frisch gebackener Weltstadtbewohner:innen.
Thomas Kilian (Vorstand Soldiner Kiez e.V.) betrat die Bühne. Im 13. Kapitel des Roman Sung’s Laden von Karin Kalisa ging es um Affenbrücken, monkey bridges, gebaut aus Bambus und Seilen, eine vietnamesische Tradition auf Reisfeldern. Eine große urbane Fantasie wird erzählt: Die Brückenbauer treffen auf Industriekletterer. Jonglieren, balancieren auf Traufhöhe über den Straßen.
Danach brauchten wir etwas Kürzeres. Joachim Faust (Gründer und Projektleiter WeddingWeiser) trug das Gedicht „Kreuzberger Höhlenmalerei“ von Ralf Rothmann vor. Eine Jagd durch die Woche! Am Montag rief der Freitag an, am Dienstag sah ich einen Dornbusch brennen, apokalyptische Szenen in unserer Stadt.

Dann war Zeit für eine Pause. Michael Zellner brachte uns einige Lieder zu Gehör, mit Gefühl und Rhythmus. „Der Schlüsselmeister“ hatte die Schlüssel zum Zimmer mit den vielen Türen. Nur er konnte sie öffnen. Auf YouTube findet Ihr unter Gitarre Moabit den Schlüssel zu seinen Liedern.
# Johannes Zillhardt (Autor) eröffnete den zweiten Teil des Abends mit einem eigens angefertigten Sample aus seinem umfangreichen Interview-Projekt „Berliner Kindheiten“, drei Jugendliche aus dem Geburtsjahr 1996, Generation Z: Allan, Karl und Chi. Ja, mach ich. Zwischen Berlin-Welten, Ulan Bator, Berlin.
Dann kam ich, # Wolfgang Weber (Autor), an die Reihe. „Eine Sonnenblume für Bernd“ handelt von einem guten Freund, der sehr aktiv und engagiert in der Stadt lebte, dennoch eines Tages nicht mehr leben mochte. Zuvor aber, rund zehn Jahre früher, bewegte er uns dazu, Menschen aus dem Ostteil der Stadt mit Kaffee zu begrüßen.
Die Schauspielerin Lena Semke trug einen Abschnitt aus dem Buch „Lass uns nochmals los“ von Susanne Matthiessen vor. Ein Buch voller feministischer Wut und Aktion. Einem Rechtsanwalt, der auch Vergewaltiger verteidigt, soll ebendies heimgezahlt werden. Ihm soll bei einem Überfall in seiner Kanzlei das Gefühl vermittelt werden, er sei ein Vergewaltigungsopfer. Ein Text, bei dem ich heftig geschluckt habe, ob der plakativen übergriffigen Szenen.
Auftritt # Gert-Peter Merk (Journalist und Schriftsteller) „ Die andere Seite“. Es geht um ein Blind Date. Was ist mit ihrem verunstalteten Gesicht passiert? Daneben Stadtlandschaften zwischen Schiffbauerdamm und Chausseestraße, Reminiszenz an Wolf Biermann, auf der Weidendammer Brücke ein Abschied.
# Sandra Wiedemann (Autorin) gab uns die volle Dosis Ehrlichkeit: „Bouletten – kommse rin, könnse rauskieken“, manchmal biste zwischen vier Millionen allein. Jeder bringt mit, was er hat. Berliner Schnauze mit Herz, so isses in Berlin, ihr Zugereisten! Sie schreibt für Poetry Slam.
# Enrico Neumann (INNEN WELTEN, Kunstmagazin) las seinen Text „Morgens in Berlin“, wie es in Bussen und Bahnen in dieser großen Stadt zugeht. Die BVG behauptet, sie liebt uns. Hier mal die andere Seite. Überfüllt, unpünktlich, schwerer zu kalkulieren, Anschlüsse klappen oft nicht. Kräftezehrend. Du kommst erschöpft auf der Arbeit an.

Zum Abschluss: # Manuel Wanser (Autor) performte seinen Text „Klaus, wir und anfangs nur Bier“. Ein Panoptikum von Begegnungen in Kneipen, Sylvia, Klaus, ja der, vielleicht, Motte, wohl nicht der, Andi, viele Überraschungen und Begegnungen.
Es wurde ein langer Abend. Allen von anfangs gut vierzig Personen, die es nicht bis zum Schluss ausgehalten haben: Wir bessern uns! Denen, die treu blieben, danken wir. Der Abend wurde von Jens Wiesner in Fotos und Videos festgehalten.
Zum Abschluss gab es Blumen für alle Beteiligten und einen Ausblick: Nach diesem vielseitigen Berlin-Panorama gibt es Möglichkeiten für eine Fortsetzung, vielleicht aber erst im Herbst 2026. Ob nun wieder Wedding oder Berlin oder beides, seid gespannt darauf.
Autor: Wolfgang Weber