Am 24. Januar 2019 waren wir mit dem „Talk im Kiez“ zu Gast bei Horst Schmiele vom Verein „Menschen helfen Menschen in und um Berlin“ im dazugehörigen Sozialzentrum in der Wollankstraße 58-60. Er erzählte uns von seiner Kindheit, von seiner Jugend im Schatten der Berliner Mauer und natürlich über die Anfänge des Vereins. Einen Video-Mitschnitt der Veranstaltung findet man bei unserem Medienpartner Soldiner Kiez Kurier.
Das Licht der Welt erblickte Horst Schmiele 1952 in Berlin, aufgewachsen ist er in der Grüntaler Straße 25.
Als Kind hat er viel mit seinen Kumpels in den Kriegsruinen der Bornholmer Straße, der Prinzenallee und der Koloniestraße gespielt.
Auch im Osten des noch nicht geteilten Berlins hat sich der kleine Horst mit seinen Kumpels rumgetrieben. Er ging zum Haare schneiden in den Osten, weil es da nur 75 Pfennige kostete.
Und dann kam der 13. Juni 1961, der Tag des Berliner Mauerbaus. Der kleine Horst hat mit eigenen Augen gesehen, wie eine ältere Frau sich in der Bernauer Straße gegen die Volkspolizisten aus dem Fenster auf den Gehsteig hinunter gekämpft hat, wo sie dann von West-Berlinern aufgefangen wurde. Horst Schmiele nannte das den „Kampf von Oma Schulze“. Kurze Zeit darauf wurden alle dem Gehsteig zugewandten Fenster in der Bernauer Straße bis in den dritten Stock hinauf zugemauert. „Das war ein komisches Gefühl“, sagt Horst Schmiele heute, „Da ist was passiert, was man damals als Kind noch gar nicht einordnen konnte.“
Der junge Horst war auch aktiv bei Hertha an der Plumpe – dem Fußballstadion am Gesundbrunnen.
„Wir haben bei den Fußballfans leere Bierflaschen eingesammelt, die nannten wir – wegen der Farbe – ‚Braun’sche Röhren‘ “, erinnert er sich, „und von dem Pfandgeld habe ich mir Bonbons und Schokolade gekauft.“
Mit 12 Jahren hat Horst Schmiele dann beim Sportverein NordNordWest Berlin selbst gefußballt. Heute, nach seinem 66. Geburtstag im letzten Jahr, spielt er immer noch Fußball.
Als das Jahr 1968 kam, musste der junge Horst Schmiele nicht mehr so oft zum Friseur, denn auch seine Haare wurden dem Zeitgeist entsprechend länger. „Meine Eltern fanden das nicht gut und schimpften auf die langhaarigen Gammler, aber ich habe mich durchgesetzt“, erzählt er.
Auch in den 1970ern waren Horst Schmiele und seine Kumpels noch oft in Ost-Berlin unterwegs.
Einer seiner Kumpels hatte sich einen Cadillac gekauft, und mit dem fuhren sie dann durch die Grenzsperre an der Bornholmer Brücke, wo der Cadillac zwei- bis dreimal rangieren musste, bis er durch war. Sie waren von 365 Tagen im Jahr 200 Tage in Ost-Berlin!
Einer der Kumpels hatte sich in eine Ost-Berlinerin verliebt. 1972 hat er dann die junge Frau im Kofferraum eines Mietwagens über die innerdeutsche Grenze geschmuggelt. „Die anderthalb Minuten, die das Abfertigen an der Grenze dauerte, waren die längsten seines Lebens!“ erzählt Horst Schmiele. In der Bundesrepublik angekommen ist das Paar dann zusammen mit Horst von Frankfurt/Main aus nach West-Berlin zurückgeflogen. Danach waren die Ausflüge in die DDR erst mal Vergangenheit. Doch die Liebesgeschichte des Kumpels nahm kein gutes Ende: Seine Ost-Berlinerin bekam Heimweh, wurde dabei als IM der Stasi angeworben und auf ihren Freund, der Nachrichtentechniker war, angesetzt. Nachdem der Freund das dann nach der Wiedervereinigung in seiner Stasi-Akte gelesen hatte, trennte sich das Paar, und der Freund wurde er zum Alkoholiker. Er starb im Alter von 59 Jahren.
Seine Frau Sabine hatte Horst Schmiele 1972 in der Nachbarschaft kennengelernt. Als sie knapp 18 Jahre alt war, bestellten die beiden das Aufgebot. 47 Jahre waren sie zusammen!
2016 ist Sabine Schmiele nach einer kurzen schweren Krankheit verstorben. Horst Schmiele leidet heute noch unter ihrem Tod. „Sabine war die Konstante in meinem Leben. Sie war es letztlich, die den Verein ‚Menschen helfen Menschen in und um Berlin‘ initiiert hat“, sagt Horst Schmiele. Denn sie hatte die Kontakte zur Berliner Tafel.
Im Jahr 2004 haben die Schmieles mit Hartz IV-Empfänger/innen zusammen den Verein „Menschen helfen Menschen in und um Berlin“ gegründet, als mobile Ausgabestelle von Lebensmitteln auf Parkplätzen, und bewusst für Privatpersonen. Zuerst kamen nur 25 Menschen und nach vier Wochen schon 125 Menschen!
Das Wetter war dabei natürlich ein Problem. Doch dann konnte der Verein Räumlichkeiten anmieten, im Kiez zuerst in der Koloniestraße und in der Drontheimer Straße, später in der Wollankstraße am heutigen Standort.
Das Quartiersmanagement Soldiner Straße musste zuerst von dem Projekt überzeugt werden: Der erste Antrag auf Förderung wurde im Quartiersrat abgelehnt – woraufhin sich Horst dann selbst in den Quartiersrat hat wählen lassen.
Es gibt bis heute keine kontinuierliche finanzielle Förderung für die Arbeit von „Menschen helfen Menschen in und um Berlin“, außer einige Ein-Euro-Jobber vom Job-Center. „Das ist schwer, denn die Fixkosten für die Arbeit des Vereins belaufen sich auf 6.000 Euro pro Monat. Spenden machen dabei den Löwenanteil aus“, erläutert Horst Schmiele. „Wenn jeder Kiezbewohner im Monat 1 Euro geben würde, dann wäre das großartig!“
Über seine Kund*innen sagt Horst Schmiele: „80% der Leute, die hier herkommen, um sich kostenlos Lebensmittel, Kleider, Geschirr, Kleinmöbel, Bücher und Mappis mit Schulzubehör abzuholen, kommen nur, wenn sie wirklich was brauchen. Manche werfen auch einen Euro in die Spendenbüchse. Die paar Schnorrer sind mir egal.“ Die Zahl der Kund*innen habe in den letzten Jahren auch nicht zugenommen, erläutert er.
Horst Schmiele arbeitet jetzt seinen Sohn ein. „Weiter geht es immer irgendwie“, hofft er. Zusammen mit einem anderen Träger plant er jetzt ein Sozialkaufhaus. Seine Antwort auf die Frage, was er sich am meisten wünsche: „Zwei Wochen Ferien auf Gomera.“
Text: Diana Schaal