Das 2. Interreligiöse Gespräch „Gefühle im Christentum und Islam“ nach dem Aufschlag im letzten Jahr knüpfte an die Veröffentlichungen unseres Nachbarn Dankwart Kirchners an. Der Therapeut und Theologe hatte 2013 eine Schrift „Vom Zorn Gottes und vom Zorn der Menschen – Plädoyer für eine nachbiblische Emotionalität“ veröffentlicht. Darin ging es unter anderem darum, dass man auch negative Gefühle gegenüber Gott zulassen solle. Er führt seine Gedanken mit einer Schrift zum Reformationsjubiläum 2017 weiter, die dieses Jahr erschienen ist und für eine Erweiterung der „Freiheit des Christenmenschen“ plädiert. Wir konnten damit einen interessanten und kontroversen Gesprächspartner für unser Gespräch gewinnen, zu dem am 28. November 2018 etwa 25 Personen das Prima Center Berlin in der Biesentaler Straße 24 füllten.
Natürlich wollten wir für die Religionsvertreter auf dem Podium – Ferid Heider vom Interkulturellen Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB) und Thomas Jeutner von der Versöhnungskirche am Mauerstreifen Bernauer Straße – das Thema breiter aufstellen. So sprachen wir zuerst von der Barmherzigkeit, Gnade und Liebe Gottes. Laut dem Podium besteht hier eine große Einigkeit zumindest zwischen Christentum und Islam.
Jeutner stimmte aber hinsichtlich der Berechtigung, mit Gott zu hadern, durchaus mit Dankwart Kirchner überein. „Das gilt im Islam nicht als fromm“, distanzierte sich Ferid Heider vorsichtig. Aber man könne mit seinem Leid zu Gott kommen, quasi klagen ohne anzuklagen. Außerdem betonte er die ungezwungene Haltung des Islam zur Sinnlichkeit innerhalb bestimmter moralischer Regeln.
Die detaillierte Diskussion konnte nicht alle Punkte erschöpfen. Ein Zuhörer bemängelte etwa, dass das Thema des Mitleides und der Mildtätigkeit sowie der Verantwortung gegenüber den sozial Schwächeren und der Umwelt nicht angesprochen worden sei. Auch eine eventuelle Angst vor Gott kam als Strafangst nur bei Kirchner vor. Für die Unterschiede zwischen Islam und Christentum musste man diesmal etwas die Ohren aufstellen: Vor allem fiel eine große Klarheit und Einfachheit beim Gottes- und Menschenbild von Heider auf, während Jeutner seine Zuhörer mit historischen und strittigen Aspekten deutlich mehr forderte.
Zumindest für den Moderator Thomas Kilian, Vorstandsmitglied im Soldiner Kiez e.V., war sein Philosophisches Café „Gefühl und Verstand – Unterschiede im Weltbezug“ drei Wochen vorher eine gute Vorbereitung. Er stellte zum einen in einem kurzen Lichtbildvortrag, die Unterscheidung zwischen einem langsamen und vernünftigen Denken des Großhirns und einem schnellen, emotionalen, aber häufig ungenauen Denken im Mittelhirn vor. Zum anderen zeigte er die Möglichkeit von funktionalen Gliederungen der Gefühle. Eine minimale Einteilung besagt z.B. folgendes: Vom Stoffwechsel geht etwa die Gier aus, von der Verletzbarkeit Wut und Angst, vom Denken die Neugier und der Hochmut, und von der Libido Gefühle wie das Mitleid, Ekel oder Freude. In der ausführlichen Diskussion der etwa 10 Teilnehmer ging es dann noch um den Gegensatz positiver und negativer Gefühle sowie um Therapie und Theorie. Am Schluss musste man die eifrigen Diskutant*innen aus dem Seminarraum der Nachbarschaftsetage rausschmeißen.